Das Viertel voranbringen, es lebenswert erhalten, den Wohnwert noch erhöhen: diese Absicht verfolgt die Initiative Zukunft Marienviertel, das brachte auch gut 130 Interessierte in die Aula des Caritas Bildungszentrums an der Bismarckstraße.
Wie es sich gehört, hatte der Hausherr das erste Wort. Florian Heintze, seit April Schulleiter, stellte sich und seine Schule kurz vor. Mit 250 Schülerinnen und Schülern eine der größeren Ausbildungsstätten für Pflegeberufe, sieht er trotzdem klar, dass der Fachkräftebedarf in diesem Bereich noch lange nicht gedeckt sein wird.
Maria Hoffrogge, Sprecherin der Initiative, dankte Florian Heintze für seine Bereitschaft, die Aula für diese Quartiersgespräche zur Verfügung zu stellen – und den Schülerinnen und Schülern, die die Stühle aus ihren Klassenzimmern in die Aula gebracht haben und am nächsten Tag auch wieder zurückbringen, für Heintze keine Frage, das zu tun: „Wir sind Teil des Quartiers, arbeiten und lernen hier.“ Maria Hoffrogge beschrieb auch noch einmal klar die Rolle der Initiative: „Wir sind keine Stadtteilkonferenz, sondern gehören als einer für alle Interessierten offenen Gruppe zur Hervestkonferenz, in der wir uns natürlich auch engagieren. Wir kümmern uns um das Marienviertel und das ohne Mandat, einfach nur, weil wir das Viertel, unser Lebens- und Wohnumfeld mögen und weiterhin positiv entwickeln wollen. Wer das auch möchte, ist herzlich eingeladen.“
Verkehrsberuhigung auf dem Luner Weg: Strittige Ansichten bei Anwohnern und Nutzern
Erstes und wie zu erwarten strittiges Thema waren Änderungswünsche in der Verkehrsführung auf drei (Teil-) Straßen im Viertel. Das Thema war schon lang und breit und kontrovers in dem Quartiersgespräch im Februar diskutiert worden; auch jetzt dauerte es (manchen Teilnehmer*innen zu lange), bis endlich das von der Stadt gewünschte Meinungsbild zustande kam:
Eine Mehrheit gab es für eine Wiedereröffnung des Luner Wegs zwischen Möllenweg und Marienstraße nach Fertigstellung der Wienbachbrücke in beide Richtungen mit einer Begrenzung auf 30 km/h; BM Stockhoff sagte zu, noch einmal die Möglichkeit einer Umwidmung zur Fahrradstraße prüfen zu lassen; ein Vorschlag aus der Versammlung war, zumindest – nach holländischem Vorbild – mit einer farblichen Markierung entlang der Straße die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern zu erhöhen.
Schmale Straße, größere Veranstaltung in der Marienkirche, durchgehend und beidseitig parkende Autos: So ist der Konflikt vorprogrammiert, wenn sich Autos gegenüberstehen und nicht aneinander vorbeikommen: Eine Einbahnstraßenregelung der Straße An der Marienkirche fand – bei knapp 20 Gegenstimmen – mehrheitlich Zustimmung; aus guten Gründen bevorzugt wird die Lösung, von der Marienstraße hinein- und zur Bismarckstraße hinausfahren zu können.
Gleichfalls eine deutliche Mehrheit gab es dafür, die derzeitige Einbahnstraßenregelung am Luner Weg ‚unter den Brücken‘ zwischen Marienstraße und An der Wienbecke beizubehalten.
Mit diesem Meinungsbild geht Bürgermeister Stockhoff nun in die Überlegungen von Rat und Verwaltung, denen letztlich die Entscheidungen obliegen.
Bismarckstraße: Tempo 30 soll bleiben
Sehr eindringlich und mit Zahlen belegt appellierte Gerd Schute noch einmal an Rat und Verwaltung, die Tempo-30-Bereiche an Bismarck- und Luisenstraße beizubehalten; sie hätten sich seit Jahrzehnten bewährt, gefahren werde dort jetzt schon im Schnitt um die 45 km/h. Bekanntlich überlegt die Stadt, die derzeitige Regelung, seinerzeit bedingt durch die ehemalige Realschule an der Bismarckstraße, aufzuheben, da die Straße als ‚Vorbehaltstraße‘ für mögliche Umleitungen (z.B. Sperrung der Borkener Straße nach einem Unfall) ein größeres Verkehrsaufkommen bewältigen können muss. Ob dann Tempo 50 was bringt gegenüber Tempo 30, ist mehr als fraglich … Der Beifall der Anwesenden unterstützte sehr deutlich das von Gerd Schute vorgetragene Anliegen der Anwohner.
Die detaillierte Analyse und dringende Bitte der Anlieger finden Sie als pdf-Datei hier.
Planungsentwurf für das GHS-Areal steht
Dipl.-Ing. Dagmar Stobbe vom Techn. Dezernat der Stadt, seit dem Start des GHS-Projekts in regem Kontakt mit der Initiative, erläuterte und begründete den jüngst im Umwelt- und Planungsausschuss des Rates einstimmig beschlossenen Entwurf zur Bebauung des Areals der früheren Gerhart-Hauptmann-Schule hin zu einer städtebaulichen Mitte des Viertels. Die Vielzahl der angedachten Wohnformen entspreche der Sozialstruktur und den künftigen Bedürfnissen des Viertels – vom kleinen Einfamilienhaus über Wohnungen für Paare, bei denen ein Partner erkrankt ist, bis hin zu Mehrfamilienhäusern mit Miet- oder Eigentumswohnungen. Genossenschaftliches Bauen, Baugruppen, ein ‚Geschäftshaus‘ mit Kiosk, Pizzeria oder Weinstube, Praxen …, E-Tankstelle und Car Sharing Point …: alles realisier-, auf jeden Fall denkbar. Indirekt eine Absage erteilte sie leider einer Tiefgarage aufgrund der widrigen Grundwasserverhältnisse; erhalten bleiben können allerdings das bestehende, wertvolle Grün und die schönen alten Eichen.
Der nächste Schritt wird nun das Erstellen eines Bebauungsplans sein, der in zwei Jahren stehen kann. Sehr positiv wurde von den Anwesenden aufgenommen, dass die Vergabe der Grundstücke auf Erbpacht im Blick ist; Stockhoff erklärte dazu, dass Kommunen gut beraten seien, solche ‚Filetstücke‘ wie das GHS-Areal im Besitz der Stadt zu halten, um für künftige Entwicklungen Spielraum zu haben, gewappnet zu sein.
Dr. Werner Springer hatte für die IZM zu dem vorgelegten Plan von CONTUR 2 bei grundsätzlicher Befürwortung des Gesamtplanes einen ergänzenden Vorschlag gemacht und der Kommission für Stadtentwicklung vorgelegt. Der Vorschlag beinhaltet, die Einfamilienhausbebauung mit großen Grundstücken im Baufeld 2, d.h. an der süd-östlichen Seite des Planes, zu ersetzen durch Häuser für Mehrgenerationenwohnen, Wohnungen für an Demenz Erkrankte mit Partner/Partnerin sowie Appartements für Senioren/Seniorinnen. Diese Berechnung ergibt sich aus der Ableitung eines entsprechenden Bedarfes aus den von den BewohnerInnen geäußerten Wünschen in der Zukunftswerkstatt (2017) und der daraus entwickelten Indikatorenliste und aus einer planerischen Quantifizierung der benannten Wohnbedarfe für die Bebauung des Areals der ehemaligen Realschule. Darüber hinaus entfällt nach Auffassung der Initiative ein Bedarf für Einfamilienhäuser auf größeren Grundstücken im Marienviertel. Das Wohnviertel ist in seiner Kennzeichnung in der Fachöffentlichkeit ein „alterndes Einfamilienhausgebiet” (Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2020) mit hinreichend Einfamilienhäusern auf großen Grundstücken.
Der Bedarf, so Springer, bestehe gerade darin, BewohnerInnen dieser Häuser mit z.T. großen Wohnflächen auf großen Grundstücken, die sie ehemals als Familie mit ihren Kindern bewohnt haben und nun mehr zu zweit oder sogar allein bewohnen und „verwalten”, die Chance zu eröffnen, in ihrem angestammten Wohnviertel mit der ihnen vertrauten Infrastruktur und den langjährigen sozialen Beziehungen zu bleiben und in bewirtschaftbare Appartments mit kleiner Terrasse oder Balkon umzuziehen, während nachfolgend die leergezogenen Einfamilienhäuser, ggf. in neuer Aufteilung für zwei oder drei Wohneinheiten für junge Familien mit entsprechend kleineren Grundstücken, zum Kauf angeboten werden können. Mit einer solchen intergenerativen Angebotsstruktur im Marienviertel würden die Fehler einer früheren Bebauung korrigiert, die eine Monostruktur von Einfamilienhäusern für eine relativ große Zahl derselben Generationengruppe geschaffen haben.
Dieses grundlegende Merkmal einer „gesunden”, generativ gemischten Bevölkerungsstruktur für das ganze Marienviertel und nicht nur für das zur Neuplanung anstehende ehemalige Schulgelände sei in dem Entwurf von CONTUR 2 nicht angemessen in den Blick genommen und berücksichtigt worden.
Dieser Argumentation der IZM ist im Kern die Kommission für Stadtentwicklung in ihrer Beschlussempfehlung gefolgt. Der UPA hat dies in seinem Beschluss vom 29.10.2019 wie folgt einbezogen:
„[…] Zur Diskussion stand auch eine kurzfristig durch die Zukunftsinitiative Marienviertel eingebrachte Variante, die am östlichen Plangebietsrand anstelle der Einfamilienhausbebauung die Möglichkeit von Geschosswohnungen für besondere Wohnbedarfe vorsieht. Die Kommission hat die damit verbundene Zielsetzung, ausreichende Gelegenheiten für die Realisierung von innovativen Wohnprojekten (Mehrgenerationenwohnen, Wohnformen für Demenzerkrankte etc.) vorzusehen, nachvollzogen und grundsätzlich bejaht. Im Zuge der Vermarktungsabfolge bzw. der Vorbereitung der Vermarktung werden sich die Informationen verdichten, wie viele Bauplätze für Wohnprojekte benötigt werden. Falls erforderlich, kann dann über einen Verzicht von Einfamilienhausbebauung zugunsten von Geschosswohnungen nachgedacht und entschieden werden. […] Im Bauleitplanverfahren sind die Festsetzungen zu den östlichen Flächen so ‘robust’ zu gestalten, dass ggf. eine Anpassung an andere Wohnformen möglich ist. […]“ (Drucksache Nr. 250/19, Beschlussvorlage, Bebauungsplan Do Nr.263, Umwelt- und Planungsausschuss, öffentl. Sitzung, 26.09.2019, Seite 2).
Ein schöner Erfolg der IZM und ein guter Ausweis der Einflusschancen bürgerschaftlichen Engagements in Dorsten!
WiM – Wohnen im Marienviertel
Dr. Bernhard Stoll als Sprecher der Interessengruppe ‚WiM‘ stellte die Ziele und Absichten dieser Gruppe vor. Derzeit rund 15 am ‚anderen‘ Wohnen im Marienviertel Interessierte treffen sich regelmäßig, um sich kennenzulernen, über gemeinschaftliches Wohnen, Mehrgenerationenwohnen und entsprechende Realisierungsmöglichkeiten auszutauschen und zu informieren. Er und die Gruppe wünschen sich ‚Mitmacher‘, besonders auch jüngere Interessierte.
Blühende Streuobstwiese
Franz-Josef Gövert, Sprecher der Projektgruppe Streuobstwiese, erläuterte die Überlegungen zur Aufwertung des ‚Biotops‘ hinter der ehemaligen Realschule. Nach einem intensiven Mähen der Wiese, gemeinsam mit Eltern des Marienkindergartens, ist hier nun die Auffrischung des Bereichs rund um den Tümpel erforderlich; zusammen mit dem Anlegen einer Wildblumenwiese wird diese Ecke bald zu einem ökologisch wichtigen Bereich aufgewertet. Wie immer bei diesen Projekten: ohne Hand- und Spanndienste einiger Engagierter geht´s nicht, aber eine Sitzgruppe für das Bier nach getaner Arbeit ist schon recht konkret in der Planung …
Wartehäuschen
Im Dezember 2018 klagten einige Schüler aus dem Marienviertel dem Bürgermeister ihr Leid: Beim Warten auf den Bus (Haltestellen Marienstraße/Bismarckstraße und An der Wienbecke / Kreisverkehr), der sie z.B. zur Gesamtschule Wulfen bringt, sind sie Wind und Wetter ungeschützt ausgesetzt; Abstellmöglichkeiten für ihre Fahrräder fehlen. Seitdem sind Überlegungen im Gang, diesem Missstand abzuhelfen. Fakt ist, dass die Stadt die Wartehäuschen selbst bauen (und zahlen!) muss: die Vestische fährt, die jeweilige Stadt richtet die Haltestellen ein. Die Stadt wird aber nur Unterstände bauen und finanzieren, wenn es entsprechende Förderprogramme gibt. Dabei sind die Grundstücksfragen weitgehend geklärt: soweit die Stadt nicht selbst Eigentümer ist, haben die Eigentümer der betroffenen Flächen am Kreisverkehr ihre Bereitschaft erklärt, die Flächen zur Verfügung zu stellen. Nun wird eine Finanzierung aus dem Bürgerbudget der Stadt angedacht. Eine sehr unbefriedigende Situation, wenn man bedenkt, dass z.B. im Kreis Borken jeder zweite Bauernhof ein Wartehäuschen für den Schülerverkehr hat …
‚Offener Bücherschrank‘ für das Marienviertel
Monika Berendsen stellte die – schon recht konkrete – Idee eines Offenen Bücherschranks für das Viertel vor: ein wettergeschütztes Regal voller gespendeter Bücher, aus dem jeder sein Wunschbuch entnehmen und nach dem Lesen wieder einstellen kann, in das jeder sein gelesenes Buch geben kann. Standort wird sein etwa vor der Bäckerei Spangemacher, vor dem Caritas Bildungszentrum; die Caritas ist einverstanden, die Dorstener Arbeit macht einen Kostenvoranschlag für den Umbau einer ausgedienten gelben Telefonzelle und/oder den Bau eines Bücherschranks aus wetterfester Spanplatte; das Projekt ist förderungswürdig für Mittel aus dem Bürgerbudget, ein paar Betreuer stehen bereit: das wird was! Jetzt fehlen ‚nur‘ noch Sponsoren für den Eigenanteil, Betonbauer für das Fundament … Na, wer macht mit?
Kommentar: Aktives Marienviertel, aktive Bürger
Das war nun das 6. Quartiersgespräch im Marienviertel, wieder gut besucht von vielen interessierten Marienviertelern, auch wenn viele nach der Vorstellung der Planung für das GHS-Areal peu à peu die Aula verließen. Etwas Zeit wurde zu Anfang vertan, als ein Meinungsbild der Betroffenen gefragt war, aber zum wiederholten Mal die immer wieder gleichen Argumente zur Verkehrsführung vorgebracht wurden, außer Acht lassend, dass letztlich Rat und Verwaltung entscheiden (müssen) und dort die Argumente längst bekannt sind.
Dieses Quartiersgespräch machte aber auch und wieder einmal deutlich, dass (Achtung: Eigenlob!) bürgerschaftliches Engagement vonnöten und erfolgreich ist, wenn es darum geht, das eigene Wohn- und Lebensumfeld zu erhalten und zu verbessern.
Im größten Projekt der Initiative, der Umgestaltung des GHS-Areals, hatten die Aktiven das ‚Glück‘ (und das Geschick), sich rechtzeitig, vor jeglicher anderer Planung, konstruktiv einbringen, einmischen zu können; im aktuellen Realisierungskonzept sind die in der im März 2017 bürgerschaftlich getragenen Ideenwerkstatt erarbeiteten Eckpunkte deutlich zu erkennen. Übergestülpte Planungen, unreflektierte (Ausbau-) Standards provozieren dagegen zu Recht Konfrontationen.
Das Engagement der IZM-Aktiven (Achtung: Eigenlob geht weiter!) mit ihren Projekten ist so ein weiteres Vorbild für den Weg zur propagierten ‚Bürgerkommune‘; das bedeutet aber eben nicht nur, dass die Bürger rechtzeitig, also vor den sie betreffenden Planungen, beteiligt werden; Bürgerinnen und Bürger müssen auch von sich aus aktiv werden, sich für ihr Quartier einbringen. Für mich immer noch ein gutes Vorbild ist der Verein ‚Altendorf-Ulfkotte trifft sich‘, der, lange bevor es Stadtteilkonferenzen gab, das Engagement der vielen Vereine bündelte zum Erhalt der funktionierenden dörflichen Strukturen. Hier gibt es im Marienviertel aus meiner Sicht noch Nachholbedarf. (jotw)