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Mit Luther in der Unterwelt

Kultur-Highlight im Cornelia-Funke-Baumhaus:
ein spannender und unterhaltsamer Beitrag zum Luther-Jahr

Das glaubt man Anke Klapsing-Reich gern, dass Bertold Hanck seit seiner Idee zu dieser szenischen Lesung vor einem Jahr viel Mühen aufgewendet hat, diese fast zwei Stunden am heutigen Abend mit und über Martin Luther in einer solchen Perfektion zu arrangieren!

Die Bandbreite der Begegnungen überraschte. Dass sich die ‘Lutherin’ Katharina von Bora über Luthers fehlende Mithilfe im Haushalt beklagte, gehört zu Luthers Leben genauso wie seine Dispute mit Ex-Fan Thomas Müntzer und Ablass-Marketing-Experte und somit Reformationsauslöser Johann Tetzel.

Aber in der Unterwelt gibt es auch gute Gelegenheit, mit Menschen zu diskutieren, die man im Leben nie treffen konnte, Abraham a Santa Clara zum Beispiel, ein katholischer Prediger 90 Jahre nach Luther, der mit dem Begriff ‘Christen’ nur Katholiken meinte und, als Zuhörer einmal glaubten, er habe vom ‘sauberen Luther’ gesprochen, ironisch reagierte: die Rede sei vom ‘Saubären Luther’ gewesen. Heinrich Heine, der ‘evangelisch getaufte Jude’ focht seinen Streit mit Luthers Anti-Semitismus und über das Lied ‘Ein feste Burg ist unser Gott’, nach Heine die “Marseillaise der Reformation”.

Ganz spannend: die Rezeption dieser Luther-‘Hymne’ “Ein feste Burg ist unser Gott” mit ihren Umdichtungen z.B. zum Kampflied durch Ernst Moritz Arndt vor der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und durch Kernkraftgegner (vertreten durch Claudia Roth 🙂 ) bei den Anti-AKW-Demonstrationen in Niedersachsen. Das Motiv der ‘Reformationssymphonie’ erscheint in Wagners ‘Kaisermarsch’ 1871 …

Mitreißend die Spielfreude der Aktiven, wobei die bühnenerfahrenen Akteure Bertold Hanck (als Luther), Raymund Ridderskamp (u.a. als Thomas Müntzer) und Thomas Boos (als fiktiver ‘Demokratus’: “Ich habe nie gelebt und bin daher unsterblich”) besondere Präsenz zeigten. Regina Schwan als Margot Käsmann trug ihren schwarzen Talar und das weiße Beffchen so überzeugend wie kaum eine Pfarrerin und hatte das verbindende, versöhnende und einladende Schlusswort der EKD-Beauftragten für das Lutherjahr. Aber auch die Baumhaus-Macher wussten zu überzeugen: Hans-Georg Karl u.a. als Redakteur im Studio bei (als Video eingespielten) Sondermeldungen über die Jahrhunderte, Klaus-Dieter Krause, u.a. als Ablass-Werbe-Fuzzi Johann Tetzel, und Anke Klapsing-Reich, der der Spagat zwischen Katharina von Bora und Claudia Roth mit Witz und Charme gelang.

Summa summarum: ein besinnlicher, spannender, informativer und unterhaltsamer Abend mit netten Leuten im wunderbaren Baumhaus, das zu Recht bis auf den letzten Platz gefüllt war.

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